Top_hatch

Vollfilm im Gespräch mit dem Agenten Jochen Döll


Erschienen: 07.12.2009

Wenn zur Qualität noch ein glücklicher Moment dazukommt,
bin ich davon überzeugt, ist nach oben alles offen.


Das Boccacelli, Dein Lieblingsrestaurant, ein Lieblingsitaliener wie aus dem Bilderbuch, verspricht Gutes.

Ich fühle mich hier wohl, weil ich den Spagat zwischen einem heimeligen Italiener, der durch gute, einfache Küche besticht, und einer bunten schönen Mischung von Leuten vorfinde, die hier zusammen kommen.

Du eröffnest jetzt Deine eigene Agentur, auch da ist Dir eine gute Mischung von Schauspielern gelungen. Wie hast Du Dich für die Schauspieler entschieden?

Nach dem Lustprinzip! Die Schauspieler müssen mir gefallen. Ich glaube daran, dass für jeden noch alles möglich ist, denn jeder Schauspieler steht für etwas ganz Eigenes. Wenn zur Qualität noch ein glücklicher Moment dazukommt, bin ich davon überzeugt, ist nach oben alles offen.

doell1do

Nach Banklehre und Jurastudium bist du jetzt Agent. Was waren die wichtigsten Stationen auf deinem Weg?

Das waren sie schon, ich musste durch das Ausschlussverfahren mich immer mehr dem nähern was ich eigentlich wollte. Durch das Fundament der Banklehre weiss ich ein bisschen mit Geld umzugehen. Ein riesiger Vorteil ist es auch für die Klienten, dass ich Anwalt bin. Dadurch kann ich die oft seitenlangen rechtlichen Ausführungen in den Verträgen richtig einordnen und gegebenenfalls gleich einschreiten. Ausserdem bin ich seit 2002 Agent und hatte das Gefühl, das hier und jetzt weiter machen zu müssen.

Das heißt, Du bietest als Agent auch anwaltliche Beratung?

Ich bin zugelassener Anwalt und als solcher auch noch tätig. Dies mache ich um weiterhin dabei zu bleiben, jedoch selten als Prozessanwalt.

Warum hast Du Dich dafür entschieden, Deine Agentur in Berlin zu eröffnen?

Na ja, die Überlegung hatte ich, ob Köln oder Berlin. Als ich mein Referendariat in Düsseldorf gemacht habe, musste ich noch Geld nebenbei verdienen. Da war mein erster Kontakt in der Medienbranche mit Hans Meiser, damals noch CreaTV. Auch das war eine spannende Zeit. Köln fühlt sich für mich aus vielen Gründen immer noch sehr "daheim" an. Aber hier in Berlin, wo ich jetzt seit vier Jahren bin, passiert auch auf dem internationalen Filmmarkt eine Menge, hier hat sich vieles entwickelt. Wenn man sich bei mir die Klienten anschaut, dann ist da ja wie bei mir auch eine große Liebe zum Theater da. Berlin, glaube ich, ist momentan einmalig.

Ich finde es mutig jetzt eine Agentur zu gründen. Du hattest andere Angebote, woher nimmst Du den Mut und das Vertrauen?

Es gab verschiedene Angebote und auch die Überlegung, vielleicht bei einem anderen Agenten einzusteigen. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass ich es jetzt selbst tun muss, und ein Schauspieler hat zu mir gesagt: "Jochen, wenn nicht jetzt, wann dann?" Und immer in den Momenten, wenn ich denke: "Oh, jetzt ist es etwas schwieriger", sage ich mir den Satz und dann geht's einfach geradeaus weiter.

Es ist ein großes Vertrauen, welches Schauspieler Dir entgegen bringen. Was bedeutet für Dich Vertrauen?

Ja, Vertrauen ist für mich sowohl im privaten Bereich, aber auch in der Geschäftsbeziehung das Wichtigste. Ich versuche den Künstlern das Gefühl zu geben, dass sie mit Allem zu mir kommen können. Ich denke auch, dass es als Agent wichtig ist, alles zu wissen und damit dann auch umzugehen, umgekehrt aber auch. Wenn das Vertrauen nicht mehr da ist, ist es besser, die berufliche Beziehung aufzugeben. Man spürt einfach, wenn ein Blatt Papier zwischen zwei Leute passt, dann wird man ausgespielt. Loyalität und Vertrauen sind für mich die Basis für jegliche Beziehung.

Was würdest Du sagen, warum Du vertrauenswürdig bist?

Das ist gut. (lacht) Na, weil ich zum einen Banker und Anwalt bin und gelernt habe, die "Schnauze" zu halten, wenn's drauf ankommt. Obwohl ich sonst auch sehr gern kommunikativ bin.

Was ist für Dich entscheidend, einen Schauspieler oder Regisseur vertreten zu können, aber auch zu wollen?

Entscheidend für mich ist, ob jemand auch diesen Drang hat, es tun zu müssen, zu spüren, dass jemand will.

Was vermittelst Du am liebsten?

Am liebsten, das ist so 'ne Frage, wenn sich bei mir Schauspieler vorstellen, stell' ich diese Frage natürlich auch gern und, wenn ich dann immer nur höre "Kino" und sonst nichts, verdreh ich manchmal schon die Augen. Es ist natürlich so, wenn es mit Namen der Branche, wie Oskar Roehler, Christian Petzold oder Dominik Graf, um nur ein paar zu nennen, zum Engagement kommt, freue ich mich besonders. Der Markt ist in der Umwälzung, da hat sich auch sehr viel Positives ergeben, wie spannende Internationale Co-Produktionen, wo es einfach Spaß macht. Da wird neu hingeguckt und es werden auch Schauspieler besetzt, die von Castern hier im deutschen Film erstmal ganz anders gesehen werden. Von daher freut es mich, wenn es zu solchen Überraschungsbesetzungen kommt, wie z. B. die Besetzung bei Tarantino von Christoph Waltz, einfach grandios. Wenn auch andere genau das in dem Schauspieler, dem Regisseur sehen, was man sich selbst erhofft hat, fühlt, man sich bestätigt.

Was empfiehlst Du jungen Schauspielern, die in der Film- Fernsehbranche Fuß fassen wollen?

Eben nicht nur auf die Film- und Fernsehbranche zu schauen, sondern sich unterschiedliche Standbeine aufzubauen. Ich sag da gerne, auf verschiedene Säulen stellen, dass, wenn eine Säule mal weg bricht, die anderen das Leben auch noch tragen können. Wichtig ist es, dass ein Schauspieler oder Regisseur selbst aktiv ist, also dass er sich selbst für den Markt interessiert. Wenn es eine Leidenschaft für's Theater gibt, bin ich immer jemand, der diese stark unterstützt. Man sollte schauen, dass man in den Synchron-, Hörbuchbereich kommt. Und wieso nicht noch andere Dinge machen, die einen interessieren? Ich denke da z. B. ans Drehbuchschreiben. Meine Künstler sind in ganz verschiedenen Bereichen aktiv, es sind Leute, die sich vielseitig interessieren und auch vielseitig erfolgreich sind.

doell_garten

Bei dem Blick auf Deine "provisorische" Webseite www.doells.de fällt auf, dass Du nur Screenshots Deiner Schauspieler aus Filmen verwendest. Warum?

Ich will Appetit machen. Es sind ja Leute dabei, die in der Branche bekannt sind, Anke Sevenich, Marijam Agischewa oder auch Jockel Tschiersch, aber ich wollte auch, dass, wenn man auf die Webseite geht, man die Schauspieler mal so sieht, wie man nicht in erster Linie an sie denkt. Als Beispiel Anke Sevenich im "Tatort" als obdachlose Frau, die auf der Strasse lebt. Ich will da zeigen, dass da noch vieles möglich ist. Ich denke auch, dass es ein probates Mittel ist, um neue Rollenfächer für einzelne Schauspieler aufzumachen.

Oh, willst Du Fotografen überflüssig machen...

Welch ein Gedanke! Aber es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Fotografie und einem Screenshot und zwar in folgendem Sinn: Die Fotografie ist ein Posieren und ein Vorgeben, was möglich ist. Der Screenshot ist eine geleistete Arbeit und ein Arbeitsnachweis von dem, was man auch wirklich schon gestanden hat. Die Portraits sind alle auf Vollfilm.com zu sehen.

Wie knüpfst Du deine Kontakte, sind hier Filmfeste für Dich von Bedeutung, wenn ja, kannst Du für Dich wichtige empfehlen?

Filmfeste finde ich äußerst wichtig. Manche Filmfeste besuche ich regelmäßig, auch wenn ich keine Beteiligung von eigenen Künstlern habe. Ich fahr zum Beispiel am Donnerstag nach Lünen ( www.kinofest-luenen.de ), da hat Daniel Walta (Regisseur) 2007 mit "Jakobs Bruder" gewonnen. Der Gewinnerfilm ist nach San Francisco eingeladen worden, dort habe ich Kontakt zum Mike Wiedemann und zu Kathrin Bessert geknüpft. Ja, zum einen sieht man ein bisschen, wo die Filmlandschaft hingeht, gerade auf den kleinen Filmfesten wie Hof, Saarbrücken und Lünen, zum anderen kommt man aber auch mit jungen Leuten auf eine Art und Weise ins Gespräch, wie es auf den großen Empfängen der Berlinale gar nicht möglich ist. Das ist ein anderes Miteinander, es ist weniger ein Schaulaufen, sondern mehr inhaltliche Auseinandersetzung mit Filmen. Das steht jedem Agenten zu und das sollte er dann auch tun.

Können sich bei Dir Schauspieler noch bewerben, und wenn ja, wie?

Gerne, da bin ich ganz offen. Am liebsten habe ich es, dass mir das Material im Vorfeld zugeschickt wird. Es macht erst Sinn, sich zu treffen, wenn man schon Arbeitsproben gesehen hat. Und ich schaue stark auf Nachwuchs, auch dafür geh' ich gerne ins Theater. "Doells" soll ja nicht nur eine Agentur für Schauspieler, sondern auch für Drehbuch und Regie sein. Ich möchte die Agentur auf drei gleichwertige Säulen aufbauen: Schauspiel, Drehbuch und Regie.

Herzlichen Dank und guten Appetit!



Regisseure der Agentur doells:

lacant
Stephan Lacant
walta
Daniel Walta