Top_hatch
Uhlige
Fotos: Giovanni Mafrici   www.mafrici.de

Liebe Mauer - Trailer

Kinostart: 19.11.2009
Drehbuch und Regie: Peter Timm
Casting: Gitta Uhlig
Mit: Felicitas Woll, Maxim Mehmet,
Anna Fischer, Gisela Trowe,
Thomas Thieme, Karl Kranzkowski
mehr >

Vollfilm im Gespräch mit Gitta Uhlig


Erschienen: 11.11.2009

...Du musst einfach machen!...

Das Le Paquebot, im Hamburger Thalia Theater, Lieblingsrestaurant vieler Film- und Theaterkünstler, mit dem Charme der 30er Jahre im Art Déco Stil, guter französischer Küche und jede Menge Theaterflair. Genau das richtige Ambiente für ein Interview mit Gitta Uhlig, einer der gefragtesten Casterinnen Deutschlands. In dem lebendigen Gespräch erfahren wir einiges über Glück, Erfolgsrezepte und den richtigen Blick.

Wir sitzen hier in Deinem Lieblingsrestaurant. Was schätzt Du an diesem Ort besonders?

Vielerlei. Der erste Besuch liegt schon etwas zurück. Ich war damals in der Werbung und theatermäßig noch gar nicht so gefordert wie durch meinen Beruf heute. Die Werber fanden das damals schon todschick als es eröffnet wurde. Es war vom Styling her ganz anders als gewohnt. Wir haben hier große Feiern veranstaltet. Jetzt mache ich seit 15 Jahren Casting im fiktionalen Bereich, bin seit 15 Jahren selbständig - ist mir heute Morgen gerade aufgefallen...

...Herzliche Glückwünsche!

...Danke. Deshalb bin ich auch beruflich mehrmals im Monat hier. Ich treffe mich mit Schauspielern, Produzenten oder Regisseuren. Ich überrede auch Regisseure mit ins Theater zu gehen und sich dort gemeinsam Schauspieler anzuschauen. Ich finde, es ist ein toller Ort, um etwas zu essen, zu sitzen...

...einfach eine anregende Atmosphäre?!

Ja. Und ich finde es auch schön, dass die Kellner untereinander französisch sprechen. Das fasziniert mich jedes Mal.
Der Mensch neigt ja sehr zu Gewohnheiten. Und gerade nach dem Job finde ich es angenehm, hierher zu kommen, ich kenne die Speisekarte, weiß wie lange es dauert, es ist eine vertraute Atmospäre...

Was bedeutet eigentlich Glück für Dich?

Grundsätzlich werden die Worte Glück oder auch Liebe in unserer Sprache ja sehr vielseitig verwendet. Manchmal auch zu häufig. Aber es gibt Momente mit einer ganz starken Wirkung.
Am letzten Sonntag habe ich mir wieder Mal "Thalia Vista Social Club" angesehen, weil ich immer wieder Freunde habe, die noch nie da drinnen waren. Und jedes Mal denke ich, ach geh mal mit, das ist lustig.
Da gibt es eine Stelle, da singt Maren Eggert: "The winner takes it all..." Und wenn sie das singt, weiß ich, warum ich diesen Beruf mache. Ich weiß, warum ich im Theater sitze. Das sind Momente wo ich merke, ich bin ganz dicht bei mir.

Jeder hat seine eigene Idee vom Glück.

Ich finde es sehr wichtig, auch glücklich sein zu können. Ich habe ein erfülltes Privatleben. Das ist als Basis für den Beruf ein glücklicher Umstand.

...und ein großes Geschenk?

Ja allerdings. Wichtig ist, dass man die Augen offen hält und merkt, dass man auch im Beruf Zeiten hat, wo man stehen bleibt und sich neuen Herausforderungen stellen muss. Wenn man diese erst mal gemeistert hat, treibt es einen auch wieder ein Stück nach vorne. Phasen die auch wieder auf einen zurück reflektieren und auch glücklich machen können. Glück ist eben ein dehnbarer Begriff.

Hattes Du als junges Mädchen bereits eine konkrete Vorstellung von Deinem Leben? Einen konkreten Berufswunsch? Wie sah das bei Dir aus?

Nein, das hatte ich nie. Ich habe ganz viele verschiedene Berufe ausprobiert und auch mal studiert. Als junger Mensch dachte ich: "Da ist so vieles was man tun kann, das probiere ich lieber erst mal aus". Ich habe zwei Freundinnen, die mit 16 Jahren ihren Beruf angefangen und auch ihr Privatleben schon sortiert hatten. Und heute glücklich und zufrieden sind - das finde ich eine riesige Leistung.
Mein Leben ist früher nicht so gradlinig verlaufen. Das tut es erst in den letzten 15 Jahren, weil ich immer im Aufbau meiner Firma war und meinem Job treu geblieben bin. Aber das Glück in diesem Beruf ist, dass man verschiedene Herausforderungen hat. Kein Job gleicht dem anderen. Kein Regisseur gleicht dem anderen. Man muss sich immer wieder neu auf Menschen und auf neue Projekte einstellen...
Das heißt, ich habe das große Glück, dass ich etwas gefunden habe, wo ich sehr unterschiedlich arbeiten kann, obwohl die Vorgehensweise erst mal dieselbe ist. Aber der Inhalt der Arbeit, der ist jedes Mal anders. Es fängt mit der Regiebesprechung an. Jeder Regisseur, jeder Produzent, jeder Kunde spricht anders, hat andere Ideen und eine andere Vorstellung.
Das sind ganz kleine Dinge, die die Qualität in meinem Beruf ausmachen. Mal kann man ganz frei sein, mal muss man erst mal eine Stunde zuhören - bis man überhaupt etwas sagen kann.

Warst Du von Anfang an beruflich erfolgreich? Uhlige

Ich kann sagen, dass ich aus keinem Beruf heraus gegangen bin mit der Vorstellung: "Das hat leider nicht geklappt", sondern mit dem Tenor: "Da muss es noch was anderes geben".
Casting, in der Form wie es heute gemacht wird, gab es zu der Zeit im fiktionalen Bereich noch nicht, als wir vor 15 Jahren damit anfingen. Im Werbebereich gab es das schon immer. Deshalb hatte ich in der Anfangszeit eigentlich mehr damit zu tun, den Beruf in der Filmbranche zu etablieren und meinen persönlichen Stil zu finden: Was biete ich dem Kunden überhaupt an? Wie frage ich nach Gagen? Wie frage ich nach Terminen? Damit fing es schon mal sehr spannend an.
Heute ist dieser Beruf durch die viele Casting-Shows im Fernsehen sehr präsent. Das bekommt dann meine Tochter zu spüren, die mit ihren 18 Jahren angemacht wird: "Hey! Ich will auch Superstar werden!" Die Leute kennen nur diesen Begriff und reduzieren den Beruf auf das, was sie aus dem Fernsehen kennen. Das merken wir auch an den jungen Praktikanten, wenn wir hören mit was für Ideen die kommen.

Es muss doch ein ganz besonderes Gefühl sein, dass erste Mal so ein Projekt abgewickelt und jemanden in eine Rolle vermittelt zu haben. Und dann siehst Du den Film und denkst Dir: "Mensch, das war ich!"

Unser erstes Drehbuch war tatsächlich eine Serie. Ich bin zur Produktionsfirma hin gegangen und habe gesagt: "Das würde ich gerne machen. Ich glaube, ich kann das". Doch die meinten nur: "Ach nö, Du bist aus der Werbung".
Und dann bekam ich doch das Projekt, denn die anderen beiden Mitbewerberinnen hatten keine Zeit. Und so durfte ich meine erste Serie besetzen. Das waren gleich 13 Teile und die waren sehr erfolgreich.
Von dem Tag an, ging ich ganz viel ins Theater und schaute mir nur noch Filme an. Ich habe mich ganz anders auf vieles eingelassen. Und die Freude daran ist bis heute geblieben.

Aber dann wusstest Du doch anscheinend schon vorher, dass Du einen Blick für gute Schauspieler hast.

Ja, das wusste ich. Man kann früh erkennen, ob jemand eine gewisse Präsenz hat oder nicht. Und das andere ist auf sein Bauchgefühl zu hören:
Eigentlich hast Du keinen Abstand zu den Rollen. Du hast es so oft gelesen, Du hast es gecastet. Aber wenn Du dann siehst, wie das wirklich funktioniert, wenn es besser ist als Du es Dir je vorgestellt hast, und es selbst Dich berührt, dass ist es wirklich gut...

Du hast vorhin von Deinen Praktikanten gesprochen... Was würdest Du aus Deiner heutigen Erfahrung jungen Menschen, die gerade am Anfang ihres Berufslebens stehen, als Erfolgsrezept mitgeben?

Man muss immer das machen was man machen möchte.

Was einem Spaß bringt?

Man muss wissen was man will und es durchziehen. Dieser Wille und das "An-sich-glauben", diese Kombination, ist ganz wichtig. Dass man eine Ausbildung macht, das setze ich voraus. Und das andere ist Disziplin - dieser Begriff ist heute leider nicht so angesagt. Es ist ganz wichtig: an sich zu glauben und machen! Hinfallen können und doch wieder aufstehen.

Also resultiert die Professionalität zu einem großen Teil aus der Leidenschaft, die man in eine Sache einbringt? Und man ist diszipliniert, weil man ein großes Ziel erreichen will?

Mit Sicherheit. Sonst wird das nichts.. Du musst als Caster kreativ, aber auf der anderen Seite auch immer sehr gut organisiert sein.

Arbeitest Du viel am Computer?

Ja, doch... das war schon mal weniger. Es steigert sich in den letzten zwei Jahren. Vor vier Jahren habe ich noch gedacht: "Oh! Ich habe eine E-Mail bekommen". Heute wüsste ich gar nicht was wäre, wenn der E-Mail-Server mal ausfällt. Wir wären morgen pleite, wenn man sich nichts mehr schicken könnte...

Es beschleunigt einfach alles immer mehr. Die technische Entwicklung, aber auch die Möglichkeiten wie wir kommunizieren, präsentieren und uns informieren.

Casting ist heute Dienstleistung auf hohem Niveau. Ich zeige Videos über Vollfilm und verwalte meine Besetzungslisten. Meine Besprechungen laufen über Internet-Anschluss. Dafür habe ich sogar schon bei mir im Besprechungsraum umgestellt. Es verlagert sich immer mehr weg von der DVD zu Videos im Internet. Man muss dann nicht erst aufwendig den Fernseher, Kanäle oder den DVD-Player einstellen. Und... man kann alles sofort auf einem großen Monitor anschauen! Das geht schnell, macht Spass und die Kunden sind begeistert.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Schimmelreiter - Trailer



Gitta Uhlig wird 1960 in Hamburg geboren. Nach dem Kommunikationsstudium übernimmt sie die Studioleitung bei Heiner Beyer. Anschliessend ist sie weltweit für das Casting von Markenfilm verantwortlich. Sie macht sich 1994 selbstständig und hat mit ihren Besetzungen die Film- und Fernsehwelt mit geprägt. Ihre erste Serie ist "Gezeiten der Liebe", es folgen zahlreiche Serien, Reihen und Filme.
Anfang des Jahres sind "Die Schimmelreiter"
( www.die-schimmelreiter.com ) und "Dorfpunks" ( www.dorfpunks-der-film.de ) unter der Regie von Lars Jessen im Kino zu sehen. Ab November können wir auf "Liebe Mauer" von Peter Timm gespannt sein.

Dorfpunks - Trailer und Filmcheck mit Lars Jessen