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Die Entbehrlichen - Trailer

Kinostart: 30.09.2010
Drehbuch und Regie: Andreas Arnstedt
Mit: Oskar Bökelmann, Andre Hennicke,
Steffi Kühnert, Ingeborg Westphal,
Paul Arnstedt, Annekathrin Bach,
Maike Bollow, Mathieu Carriere
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Unter http://www.die-entbehrlichen.de/ finden sie alle deutschen Startkinos.

Vollfilm im Gespräch mit dem Schauspieler Andreas Arnstedt


Link zur VitaErschienen: 28.09.2010


Ich treffe Andreas Arnstedt, den Regisseur von "Die Entbehrlichen" in Scharbeutz an der Ostsee, in seinem Lieblingsrestaurant "Büchtmanns Botschaft". Hier ist er gerne wenn er vom "Einsatz" bei der Küstenwache auf der Ostsee zurück ist.

Hallo Andreas, schön Dich hier an der Ostsee, in Scharbeutz zu treffen - warum hier in Scharbeutz?

Weil ich hier sozusagen meine zweite Heimat habe, nämlich "Die Küstenwache", die ich mittlerweile seit sieben Jahren drehe. Als mich Journalisten fragten, "Wie lange machst Du denn "Die Küstenwache" schon" , sagte ich so "naja es sind jetzt auch schon drei Jahre , es geht ins vierte". Da kam "Ne - Moment: Du bist jetzt das siebente Jahr dabei!" - Ich wusste das wirklich nicht. Wenn ein Schauspieler Arbeit hat vergeht die Zeit sehr schnell und so sind diese sieben Jahre für mich echt schnell vergangen.

Wahrscheinlich auch, da in der nächsten Woche ein Film von Dir Kinostart hat, den Du geschrieben hast, Regie geführt, produziert und ich glaube auch finanziert hast. Wie hast Du das noch nebenbei gemacht?

Das Drehbuch für "Die Entbehrlichen", habe ich in zwei Monaten geschrieben. Das ist sehr schnell, da ich nicht jeden Tag schreiben konnte. Ich habe auch noch gedreht - meist hab' ich im Zug geschrieben, immer wenn ich Zeit hatte.

Du bist jetzt mit dem Thema hochaktuell. Hast Du deshalb auch das Thema gewählt oder ist es schon länger ein Thema was Dich fesselt?

Das Thema des Jungen, der mit seinem Vater zusammen lebt und nicht in ein Heim kommen will, hat sich in den 70igern zugetragen - das hat mich schon lange interessiert. Ich wollte es eigentlich erst für die Bühne bearbeiten, habe mich dann aber dazu entschieden einen Film daraus machen, als die Harz IV-Demonstrationen losgingen und die Politik sagte, auf die können wir verzichten, die sind für uns entbehrlich. Schröder und Fischer meinten, irgendwann müssen die ja auch nach Hause gehen von ihren Demonstrationen in Magdeburg, Leipzig und Berlin. Das hat mich schon getroffen, weil diese Politiker damit einfach sagen: Die Menschen brauchen wir nicht und deshalb tun wir nichts für sie. Leider ist das ja auch so. Das Thema des Films wird daher immer aktueller. Hier sehe ich für mich noch mehr Stoff für weitere Filme. Ich möchte den Leuten öffentlich eine Stimme geben, die von der Gesellschaft vergessen werden. Und wenn ich auf meinen Previews Publikumsgespräche habe, dann höre ich eben auch, dass jemand sagt " ne, das stimmt nicht", oder "das sei nicht so" und "das hätte ich mir ausgedacht". Leider gibt es diese Meinung eben auch in Deutschland. Und obwohl wir 1,6 Millionen Hartz-IV-Empfänger haben und die Zahl ist steigend, werden diese Leute nicht wahrgenommen. Oder sie werden von der Politik kriminalisiert indem man sagt: "Die könnten ja arbeiten, die wollen ja bloß nicht". Aber es wird nie gezeigt, wie es in diesen Familien real aussieht.

Du zeigst in Deinem Film Personen in chancenlosen Situationen. arnstedt_dhaka

Das stimmt. Wie gesagt, ich vertrete die Postion, dass es in diesem Land keine Chancengleichheit gibt. Wir propagieren das natürlich, es gehört ja zu unseren Säule der Demokratie, aber es stimmt nicht, es gibt keine Chancengleichheit. Ich male es nicht schwärzer als es ist: dieses schwarze Bild ist Lebensalltag für ganz viele Menschen.

Die Chance für einen Film Geld zu bekommen sind nicht sonderlich gut, aber Du hast ihn trotzdem realisiert.

Ja, ich habe den Film selbst finanziert. Da es mein erster Film war, hatte ich keine Chance von der Filmförderung Geld zu bekommen. Die sagen: Herr Arnstedt, sie sind Schauspieler und jetzt zeigen Sie uns erst mal, dass Sie Regie führen können. Dann geben wir Ihnen Geld". Darauf sage ich: "Geben Sie mir Geld, dann kann ich Regie führen". Da beißt sich die Katze natürlich in den Schwanz. Das habe ich auch verstanden, dass die mit der Förderung von großen Projekten vorsichtig sind. Dann habe ich kurz einen Kassensturz bei mir gemacht. Danach wusste ich: o.k., es müssen alle, die mitmachen, umsonst arbeiten und so habe ich das Projekt den Leuten auch angeboten. Das sind nicht gerade ideale Voraussetzungen und doch habe ich die meisten mit dem Buch überzeugt.

Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Besetzung! Ich finde sie sehr stimmig. Wie bist Du vorgegangen?

Das ist meine absolute Wunschbesetzung. Durch meine Schauspielerei bei der Küstenwache habe ich viele Schauspieler kennengelernt, etwa vier bis fünf pro Episode und wir machen 26 Episoden im Jahr. Dadurch weiß ich, was die Schauspieler können und da ich beim Schreiben eine genaue Vorstellung von den einzelnen Figuren habe, war mir für viele Rollen klar, wen ich dafür gerne hätte. Alle anderen habe ich mit Nils Burtzlaff, dem Herstellungsleiter von "Die Küstenwache" gefunden. Niels Burtzlaff war der Ausführende Produzent von "Die Entbehrlichen", ich weiß nicht ob der Film ohne seine Mitarbeit zustande gekommen wäre Steffi Kühnert hatten wir allerdings noch nicht bei der Küstenwache, aber das klappt hoffentlich noch. Ich habe mich erst im November getraut die Drehbücher zu verschicken und hatte innerhalb von 24 Stunden die Zusagen, ausser bei André Hennicke, der mich bat das Buch keinem anderen Schauspieler zu schicken, weil er noch ein anderes Projekt im Januar hatte. Glücklicherweise hat er es für "Die Entbehrlichen" abgesagt.

Denkst Du es ist wichtig, Stars in einem Kinofilm zu besetzen?

Nicht zwingend.

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Mit Tom Mulligan, Doug Wipple, André Hennicke auf dem New Hope Filmfestival -USA-

Trotzdem hast Du namhafte Schauspieler besetzt.

Ja, ich halte z.B. André Hennicke für einen der begnadetsten Schauspieler, die wir im Land haben. Ich kenne keinen wandelbareren Schauspieler, als André Hennicke. Der ist in der Lage alles zu spielen. Es kommen Produzenten, Caster und auch Regisseure auf mich zu und sagen: "Das ist ja mutig, den Hennicke in so einer Rolle zu besetzen und nicht als Aktion-Held" und dann sag ich immer: "Nein, es ist schade ihn nur als Aktionheld zu besetzen, weil dieser Mann hat ein Potenzial, da gibt es wenige in Deutschland, ebenso die Steffi Kühnert. Die kann ich mir noch in ganz anderen Rollen vorstellen".

Die Kinder stehen alle zum ersten mal vor der Kamera. Hast Du ein großes Kinder-Casting gemacht?

Das Kinder-Casting sah so aus, dass mein Sohn nach Hause kam und ich gesagt habe, "Paul ich werde jetzt einen Film machen". Er hatte seinen Freund Oskar dabei, den ich schon als Energiebündel kannte, "Oskar, ich mach da einen Film, möchtest Du die Hauptrolle spielen?" Oskar sagte: "Ja, mach ich" und Paul wollte auch mitmachen. Da brauchten wir nur noch das Mädchen, und ich fragte Oskar: " Wir brauchen noch ein Mädchen, Deine Freundin im Film?" "Och, Katie aus meiner Klasse wäre nicht schlecht". So hatte ich in 10 Minuten die drei Kinderrollen besetzt. Ich habe die Kinder nicht vorspielen lassen, nicht einmal eine Videokamera drauf´ gehalten, um die Wirkung zu sehen. Ich dachte das verfälscht ohnehin. Ich habe auf meine Intuition vertraut. Ich kann mich bei einem Casting von 100 Kindern am Ende auch irren und scheitern. Entweder es klappt oder es klappt nicht. Ich wollte das Authentische haben, das ist mir wichtig und das soll meine Filme kennzeichnen!

Kannten die Kinder die Schauspieler schon vor dem Dreh? Es gibt sehr harte Szenen und die gleich zu Beginn?

André Hennicke und Steffi Kühnert waren sehr, sehr lieb und es ging immer lustig und freundlich am Set zu. Also es gab nie eine bedrückte Stimmung, es war immer sehr harmonisch, dass sieht man - Gott sei Dank - im Film nicht. In der ersten Szene war Oskar etwas aufgeregt, aber die Großen waren auch aufgeregt; das hat sich durch Nichts unterschieden. Zu Oskar hab ich gesagt: "Schau doch einfach nur zu und mach´ gar nichts. Diese Szene ist beängstigend und deshalb bist Du jetzt verschüchtert. Mach nicht mehr, mach nicht weniger, sonder sei einfach Du selbst". Der Junge hat natürlich ein grosses Talent! Das muss man sagen. Es ist nicht so, dass es jeder andere auch könnte, aber er kann das umsetzen.

Es hört sich so an, als ob Du Dir einen Traum erfüllt hast diesen Film zu machen. War es ein Jugendtraum?

In der dritten Klasse sind wir ins Schultheater in die Stadt gefahren. Seit dem stand für mich fest, dass ich Schauspieler werden wollte. Ich habe nie an Regie gedacht. Ich habe das Schreiben in den Zeiten entdeckt, als ich große Freiräume hatte, erst fürs Theater. Hierbei habe ich bemerkt, dass es mir sehr leicht fällt Dialoge zu schreiben. Mit der Zeit reifte der Entschluss auch ein Film zu machen.

Du hast innerhalb von nur 1 1/2 Jahren einen Film geschrieben und gedreht, der überall auf der Welt Preise bekommt. Morgen bist Du in Cambridge, England, warst gestern auf der Kinomesse in Leipzig, bist ständig für diesen Film unterwegs und planst auch schon den nächsten Film. Ausserdem hast Du auch noch ein Theaterprojekt in Planung. Jetzt geht´s schnell....

Ja - jetzt gehts schnell. Das stimmt natürlich, wenn ich irgend etwas will, dann lass ich auch nicht locker und bleibe dran bis zum Schluss. Dann gebe ich auch nicht auf, lass' mich auch nicht entmutigen durch irgend welche Leute um mich herum. Es gab nicht einen der gesagt hat , diesen Film musst du machen. Ich habe mal in der S-Bahn einen Spruch gelesen: " Wenn man nur in vorgegebene Fußstapfen tritt, hinterlässt man keine eigenen" und so sehe ich das auch. Du kannst Deine eigene Filmsprache nur entwickeln, in dem Du eigene Filme machst. Auf Grund meiner finanziellen Unabhängigkeit, kann ich mir das auch erlauben, da ich auf Geldgeber keine Rücksicht nehmen muss, also keine Kompromisse machen muss.

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Macht es Dich stolz oder glücklich so erfolgreich mit dem Film zu sein?

Es bestärkt mich in dieser Art Filme zu machen. Den ersten Preis dafür zu bekommen: das war etwas ganz Besonderes! In Sao Paulo gleich für "beste Regie" von namhaften Filmemachern Gratulationen entgegen zu nehmen: das ist unvergesslich. Das wichtigste ist aber für mich, dass wir Publikumssieger waren.

Herzlichen Glückwunsch!

Das ist die eine Seite. Aber, dass man Erzähl - Autorenkino, weltweit auch sehen will ist die andere und das freut mich. Ich würde mir für Deutschland wünschen, dass wir wieder ein Autorenkino haben, dass wir uns nicht nur in der Spassgesellschaft verlieren.

Du hast selber in "Die Entbehrlichen" mitgespielt. Hast Du beim Schreiben daran gedacht, Dir eine Rollen zu schreiben?

Nein, das habe ich nicht. Ich habe nur eine kleine Rolle. Die Rolle "Heinz" habe ich authentisch besetzt: Heinz ist einer, der im Lager arbeitet und gerne mal ein Schluck trinkt - den hatte ich dann auch engagiert. Leider hatte er am Drehtag zu tief ins Glas geschaut und kam nicht. Da habe ich die Klamotten genommen und es selbst gespielt. So ist das entstanden. Im Nachhinein freue ich mich, dass ich durchs Bild gelaufen bin.

Was ist das besondere an "den Entbehrlichen!"

"Die Entbehrlichen" sind drei Liebesgeschichten: die der Kinder, die der Eltern und meine Liebe zur Toleranz. "Die Entbehrlichen" ist ein Statement für Toleranz! Ich wünsche mir, dass sich noch viel mehr Menschen öffentlich dazu bekennen.

Ich danke für das Gespräch!
Unter http://www.die-entbehrlichen.de/ finden sie alle deutschen Startkinos.

Vollfilm stellt vor:

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